Lina Nordquist ist Mitte vierzig. Sie ist Professorin für Psychologie, Politikerin und seit vergangenem Jahr auch Autorin. Und zwar eine erfolgreiche: Ihr vorliegendes Debüt wurde 2022 als Buch des Jahres in Schweden ausgezeichnet und liegt seit diesem Jahr auch in der deutschen Übersetzung vor.
Auf zwei Zeitebenen wird eine Familiengeschichte mit einem zerstörenden Geheimnis erzählt.
Der Roman setzt um 1900 in Norrland ein. Unni und Armod mussten mit ihrem kleinen Sohn Roar aus Norwegen fliehen, da Unni vorgeworfen wird Hexenwerk zu praktizieren. Der Pfarrer klagt sie an, Kinder ermordet zu haben. Allerdings erst, nachdem er sie missbraucht hat. Sie schlagen sich durch die Berge und Wälder des schwedischen Nordens, bis sie eine verlassene Hütte finden. Sie können das Haus und ein wenig Land pachten, um neu anzufangen, doch der Überlebenskampf geht weiter. Die Äcker sind nur mühsam zu bestellen und der Wald bringt zwar viele Früchte hervor, doch auch viele Bedrohungen durch wilde Tiere. Trotz harter Arbeit reicht die Ernte nicht für die Winter und sie müssen häufiger als einmal um ihr Überleben kämpfen.
Als Armod tödlich verunglückt, muss Unni sich mit Roar allein durchschlagen und man kann kaum glauben, dass sie überleben werden.
Roar heiratet die warmherzige Bricken und sie bekommen ebenfalls einen Sohn: Dag. Dieser wiederum heiratet Kora. Sie ist die zweite Ich -Erzählerin, neben Unni, die mit 53 Jahren auf die Vergangenheit blickt. Sie lebt immer noch in dem Haus, in das Unni und Armod damals fliehen konnten. Kora wirkt unberechenbar und sogar bösartig. Als Leser erfährt man, dass sie von Ängsten zerfressen ist, und diese Ängste in der Vergangenheit begründet sind. Und man erfährt, dass sie ihren Schwiegervater Roar geliebt hat.
In diesem Erstling steckt so viel: ein Naturroman mit düsterer und beklemmender Atmosphäre. Ein historischer Roman, von dem man kaum glauben kann, dass er im 20. Jahrhundert spielt, so archaisch sind die Umstände. Ein Generationenroman mit einem Jahrzehnte alten Familiengeheimnis. Ein Psychologischer Roman über Überlebensängste und verboten Liebe.
Die Autorin hat Charakter mit viel Tiefe geschaffen, ihre Sätze stecken voller Symbolik und ihre Sprache ist poetisch, lakonisch und kraftvoll.
Ich freue mich auf mehr und kann Ihnen den Roman nur sehr ans Herz legen!
Mein Herz ist eine Krähe von Lina Nordquist
Diogenes Verlag, ISBN 978-3-257-07261-7, 464 Seiten