Deutsch vom Scheitel bis zur Sohle. Ein Vademecum


Der 75jährige Asfa-Wossen Asserate hat in den vergangenen 20 Jahren schon einige viel beachtete Bücher über Afrika, Europa und Deutschland veröffentlicht. Der literarische Durchbruch geschah 2003 mit dem Buch „Manieren“, das ebenfalls in dem Verlag „Die Andere Bibliothek“ erschien.

Er sagt selbst, dass er, damals häufiger als heute, das ein ums andere Mal mit erstaunten Augen angeschaut wird, wenn er in akzentfreiem Deutsch zu sprechen beginnt und klärt auf, dass er ein deutsches Kindermädchen hatte, in Äthiopien die Deutsche Schule Addis Abeba besuchte, nach dem Abitur zum Studium nach Tübingen kam und in Frankfurt in Geschichte promovierte. Als es 1974 in Äthiopien zum Militärputsch kam, blieb er in Deutschland und wurde Deutscher.

Das vorliegende Buch ist eine sehr liebevolle Charakterstudie und Kulturgeschichte der Deutschen, sein persönliches Fazit, das der Autor nach über 50 Jahren Leben in Deutschland zieht.

Die kurzen Kapitel sind alphabetisiert und tragen Überschriften wie Autobahn, Blümchensex, Gartenzwerg, Pappenheimer, Trinkfestigkeit u.v.m.

Unterhaltsam und mit viel Witz, Intelligenz und Wissen schreibt Asserate pointiert zu dem jeweiligen Thema. Häufig erzählt er von seinen persönlichen Berührungspunkten und darüber, warum er mit Leidenschaft für bestimmte „typisch-deutsche“ Dinge brennt. Und das sind einige! Um ihn zu zitieren: „Wenn kulturelle Aneignung Sünde ist, bin ich der größte Sünder“.

Eines der Kapitel, die mir am meisten Freude bereitet haben, trägt den Titel „Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän“. Es geht um die Schwierigkeit gerade für Ausländer*innen und Nicht-Muttersprachler*innen die deutsche Sprache zu lernen. Genitiv und Dativ; der, die oder das; und all die zusammengesetzten Wörter, die man in keinem deutschen Wörterbuch finden kann, wie z.B. „Waffenstilllstandsunterhandlungen“ oder eben „Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän“. Asserate führt aber in einem Atemzug weiter aus, dass genau diese Gelenkigkeit der deutschen Sprache die Schriftsteller, allen voran Theodor Fontane, zu kreativen Wortneuschöpfungen begeistert hat. Es gäbe sonst kein „Doktorkrikelkrakel“, keine „Flüsterunterhaltung“, keine „Vergißmeinnichtaugen“ und keinen „Schuhbürstenbackenbart“.

Ein Buch, das man traditionell von Anfang bis Ende lesen kann oder man blättert einfach drauf los und hält bei einem Begriff inne. Lachen und Lernen, das hat mir viel Freude bereitet. 

Deutsch vom Scheitel bis zur Sohle. Ein Vademecum
Die Andere Bibliothek, ISBN 978-3-8477-2054-6, 288 Seiten