Sie kann nur noch stoßweise Luft holen und ihre Lunge brennt bei jedem Atemzug. Ihre Kräfte sind am Ende und so geht sie in die Knie. Um nicht umzufallen, hält sie sich am Stamm einer Birke fest. Erst als sich ihr Atem beruhigt hat, kann sie in den Wald hineinhorchen. Sie hört das tiefe Quaken aus dem Tümpel und wie der Wind durch die Blätter fährt. Vor ihr gluckert es und sie sieht das Augenpaar eines Frosches aus dem grünen Glibber ragen. Sie blickt auf eine scheinbar unbewegliche Fläche aus giftgrüner Grütze. Zahllose Baumstämme ragen aufrecht in die Höhe. Keiner von ihnen besitzt noch seine Rinde. Nur die wenigsten haben noch Äste. Kerzengerade halten sie ihre Stellung. Lange haben sie sich gewehrt, bis das Gift seine Wirkung zeigte.
Aus dem Wald kann sie immer noch keinen Laut vernehmen. Nichts zeugt davon, dass sie noch verfolgt wird. Das Brennen ihrer Lunge hat nachgelassen und sie richtet sich auf. Sie brauchte diese kurze Pause, musste wieder zu Kräften kommen. Jetzt kann sie ihren Weg fortsetzen.
Sie wirft einen letzten Blick auf die glatte grüne Fläche vor sich, als es sie durchfährt, dass sie diesen grünen Schleim schon einmal gesehen hat: Unter den Fingernägeln des ausgemergelten Mannes auf dem Acker.
Als sie heute Nachmittag einen Spaziergang machte, sah sie ihn auf einem der Felder stehen und fragte sich, was er hier tat. Hier, wo es keine Häuser mehr gibt. Hier, in der Einsamkeit. Sie ging auf ihn zu, wollte ihm Hilfe anbieten. Er reagierte nicht. Erst als sie nur noch einen Schritt von ihm entfernt war, als sie die grünen Halbmonde unter den gelblichen, eingerissenen Fingernägeln sah, schnellte sein Kopf auf. Nur kurz konnte sie seine Iris sehen, bevor seine Augäpfel nach hinten rollten und nur noch ihr Weiß zu sehen war. Er würgte noch ein „Flieh, du dumme Frau!“ hervor als er sich auch schon mit der Kraft eines Raubtieres auf sie stürzte. Die Kreatur erwischte ihren Mantel, riss ihn von ihren Schultern und trat auf den Saum. Das Monster strauchelte und sie konnte fliehen.
Sie fährt aus den Erinnerungen auf, als es plötzlich hinter ihr knackt. Sie fährt herum und etwas greift nach ihrem Bein. Sie nimmt nur noch den stechenden Schmerz wahr, als sie zu Boden gerissen wird. Sie liegt auf dem Bauch und immer noch umfasst etwas ihren Knöchel. Es zieht sie über den Waldboden. Ihre Bluse rutscht hoch und ihr nackter Bauch streift über das Wurzelwerk. Da bekommt ihre Hand eine Baumwurzel zu fassen. Aber sie kann sich nur kurz festhalten. Ein Ruck durchfährt ihren Körper und ihre Finger müssen nachgeben. Immer wieder versucht sie etwas zu greifen, bekommt jedoch nichts, außer schwarzen Waldboden zu fassen.
Dann ist da auch kein Boden mehr. Sie spürt noch, dass sie in den Tümpel gezogen wird, als auch schon ihr Kopf untergeht. Zuerst verliert sie die Orientierung, dann ihr Bewusstsein.