SAMSTAG, 31. AUG. 2024, 10:28 PM • WIRELANE, FRANKFURT (ODER)
13 – 24 Grad, Bewölkt
Nur kurz war die Nacht. Heute ging die Reise los, unsere Reise nach Masuren.
Es herrschte wenig Verkehr. Wir kamen auf die A2 und folgten dieser bis Berlin. Auf dem Autohof Braunschweig Ost, legten wir eine Pause ein. Bei weiterhin schönem Wetter und gemäßigten Verkehr strebten wir unserem heutigen Ziel, Frankfurt (Oder) entgegen. Unterwegs, auf der Höhe von Magdeburg fuhr plötzlich ein Wohnmobil an meiner linken Seite. Eine Frau saß darin und gestikulierte wild vor sich hin. Ich wollte mich schon empören aber dann erkannte ich Maggie. Wie der Zufall es wollte trafen wir sie hier. In den nächsten Tagen werden wir sie vielleicht in Blumenau wiedersehen. Sie war ebenfalls auf den Weg nach Polen und wollte nun erst noch nach Berlin, so erfuhren wir später. In Frankfurt angekommen fanden wir das Hotel problemlos. Wir checkten ein und ruhten uns noch etwas aus. Später ging es dann in sowas wie eine City. Es war erstaunlich wenig los. Die Stadt ist in etwa so groß wie Lingen, verfügte aber über eine Straßenbahn. Auf den ersten Blick gab es wenig Einladendes. Wir nutzten noch etwas den lauen Abend, gingen zurück zum Hotel und nahmen dort noch ein Getränk. Dann nötigte uns die Bettschwere auf unsere Zimmer. Der erste Tag ging seinem Ende zu.
SONNTAG, 1. SEPT. 2024, 10:55 PM • CZARNY KIERZ 40, KIWITY
Es war eine erträgliche Nacht im City Park Hotel Frankfurt (Oder). Um 10:00 Uhr fuhren wir wieder los. Zuerst frequentierten wir eine Aral Tankstelle direkt hinter der polnischen Grenze. Mit vollem Tank ging es dann auf die zweite Etappe unserer Reise. Auf der Autobahn ging es über Posen in die Nähe von Danzig. Wir kamen mit einer Pause aus. Bei herrlichem Wetter durften wir die Schönheiten der polnischen Landschaft bewundern. Die gewonnenen Eindrücke verstärkten sich noch auf den letzten 120 Kilometern, die wir auf Landstraßen und teilweise anderen, abenteuerlichen Wegen zurücklegten. Auf diesen musste ich sehr aufpassen. Hohe Geschwindigkeiten waren nicht möglich. Auf verschiedensten Straßenbelägen näherten wir uns unserem Ziel. Häufig befuhren wir jetzt fantastische Alleen, die nicht unbedingt dem modernen Verkehr genügten. Vor meinem geistigen Auge sah ich Pferdegespanne, Kutschen und vereinzelte Kraftfahrzeuge, für die in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts diese Straßen völlig ausreichend waren. Mit ihren, teilweise uralten Baumbestand, verlangten sie höchste Aufmerksamkeit. Wir erlebten eine Fahrt durch herrlichste Natur. Die Straßenführung, war der in einem Mittelgebirge nicht unähnlich. Motorradfahrer müssten hier ins Schwärmen kommen, denn diese Straßen würden ihnen alles abverlangen. Kurz vor unserem Ziel warteten Elisabeth und Christof an einem Einkaufszentrum auf uns. Nach der herzlichen Begrüßung betätigte sich Christof als Pfadfinder und lotste uns sicher nach Czarny Kierz ( Blumenau).
Was uns da erwartete, überstieg unsere Erwartungen bei weitem. Elisabeths Schwester Teresa hat sich dort, entstanden aus einer alten Hofstelle, ein Domizil erbaut, das seinesgleichen sucht. Viel mehr Idyll geht kaum noch. Die überschwängliche Begrüßung, noch einmal vor Ort, verbunden mit einem Rundgang und der Entstehungsgeschichte dieses Ensembles, erwärmte uns sofort für diesen Ort. Ein gemeinsames Abendessen stimmte uns dann auf die kommende Woche ein. Einzige Wermutstropfen dieses Tages, waren die Ergebnisse der heutigen Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Die Ergebnisse waren so desaströs wie erwartet. Pseudokommunisten und Nazis haben jetzt ihre schmierigen Griffel ganz in der Nähe der Macht. Politisch scheint unsere Nation vor dem Kollaps zu stehen. Es bedarf riesiger Anstrengungen seitens der Demokraten, um das deutsche Schiff wieder auf einen vereinten, erträglichen Kurs zu steuern.
MONTAG, 2. SEPT. 2024, 9:31 AM • DOBRE MIASTO, DOBRE MIASTO
13 – 26 Grad, Sonne
Der Tagesablauf ist hier in Czarny Kierz anders als in Lingen. Gestern kam ich zu keinen sportlichen Leistungen. Das sollte sich heute ändern. Am Frühstück nahm ich nicht teil, stattdessen machte ich mich gleich auf den Weg. Auch hier brauchte ich nicht auf Hundebegleitung zu verzichten. Gleich zwei Schäferhündinnen schlossen sich unaufgefordert meinem Gang an. Über Straßen, Wiesen und Felder fand ich eine ernstzunehmende Strecke. Bei wunderbarem Wetter durchlief ich eine traumhafte Landschaft hier im ehemaligen Ostpreußen. Nach meiner Rückkehr begannen wir mit dem Schreibseminar. Jeder sollte etwas über seine Eindrücke schreiben, die ihm die neue Umgebung bescherte. Bis zum Mittagskaffee hatte ich meine Geschichte geschrieben. Am Nachmittag unternahm die komplette Gesellschaft einen Ausflug durch den nahen Wald. Besonders beeindruckend war ein absterbender Wald, der in einer überflutenden Senke zu finden war. Die abgestorbenen Bäume bildeten einen besonderen Kontrast zu dem durch Algenwuchs grünen Wasser. Besonders kam die Erscheinung durch die Sonneneinstrahlung zur Geltung. Nach eineinhalb Stunden kamen wir von diesem informativen Lauf zurück. Ich nahm die kommende Zeit wahr, um meine morgendliche Geschichte weiter in den Laptop einzugeben.
Zu Beginn des Abendessens war ich damit fertig. Wieder kam ein herrliches Gericht auf den Abendbrottisch. Eine Art von Kohlroulade wurde mit Knödeln, einer Pfifferlingssauce, roter Beete und Tomaten serviert. Das Mal war köstlich. Nach dem Espresso ging nach draußen zu einer der urigen Sitzgruppen. Dort gaben dann alle Schreibenden ihre verfassten Geschichten zum Besten. Alle waren mit Begeisterung dabei. Die Ergebnisse konnten sich aber auch hören lassen. Langsam kam dann die Dunkelheit und mit ihr Mücken und sonstiges Stechgetier. Da suchten wir doch lieber das Haus auf und begaben uns auf unsere Zimmer. Es sollte in dieser Woche ja auch etwas für die Erholung getan werden.
DIENSTAG, 3. SEPT. 2024, 11:35 AM • CZARNY KIERZ 40, KIWITY
12 – 29 Grad Sonne
Während der Rest unserer Gesellschaft sich dem Frühstück widmete, machte ich mich auf meine Morgentour. Kaum war ich hundert Meter gelaufen, gesellte sich wieder einer der Hunde zu mir. Ich nahm dieselbe Strecke wie gestern. Ich musste mich sputen, denn wir wollten zeitig aufbrechen.
Es sollte nach Lidzbark gehen, die nächstgrößere Stadt in der Nähe von Czarny Kierz. Besonders sehenswert ist dort eine alte, großartig wiederaufgebaute Wehrburg der Deutschordensritter. Hier soll auch Kopernikus gewirkt haben. Bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bot sie einen traurigen Anblick. Heruntergekommen und dem Verfall preisgegeben fristete sie ihr tristes Dasein. In ihren Erhalt wurde damals so gut wie nichts investiert. Lange Zeit diente die Burg als Residenz des dortigen Erzbischofs. Das Innere gibt deutlich Zeugnis von den Lebensgewohnheiten der jeweiligen Bewohner. Mit trickreichen Installationen und Rekonstruktionen werden dem Besucher die jeweiligen Epochen der Nutzung dieses massiven Gebäudes nahegebracht. Nach vielen Schritten durch Kellergewölbe und Gänge, fühlten wir uns für gut informiert.
Für kleine Einkäufe und die Einnahme einer Erfrischung erkundeten wir auch noch die nähere Umgebung des kleinen Städtchens. Ein eiskaltes Bier, namens Lech, kam da gerade recht. Meine Lebensgeister kamen zurück. Bevor wir uns wieder auf den Heimweg machten, mussten wir noch eine, für polnische Verhältnisse, krasse Parkgebühr bezahlen. Stolze zehn Euro waren für den Logenplatz vor dem Schloss fällig. Die Anpassung an deutsche Preise war hier schon gelungen. Bevor es dann wieder auf die Abenteuerstraße zurück zum Anwesen in Blumenau ging, wurde der Lidl in Lidzbark noch um einige Artikel erleichtert. Christof hatte das Ganze launisch kommentiert und uns mit seinem Spezialwissen aus dem Sumpf der Ahnungslosigkeit geholt. Manch flotter Spruch und manche Anekdote brachte uns die Geschichte unseres Zielortes nahe.
Den restlichen Nachmittag verbrachten wir individuell. Zum Abendbrot gesellten wir uns alle an den langen Tisch auf der Außenterrasse. Die Insektiziden Kampfgeschwader hatten offensichtlich noch Startverbot und ließen uns in Ruhe. Nicht nur zu meiner großen Freude wurden heute richtige Kohlrouladen mit Kartoffelbrei und weiteren Zutaten aufgetischt. Das war ein freudiges Gemampfe. Zur großen Freude meiner Leber stand sogar eiskaltes, polnisches Bier auf dem Tisch, nun ja, lange stand es da nicht. Der Abend sollte mit einem besonderen Highlight gekrönt werden. Christof hatte eine Schubkarre mit Holz beladen und strebte mit mir einem Lagerfeuerplatz zu. Auf eine Art, die mir noch nicht so geläufig war, stapelte er die Holzscheite so, dass sie seiner Meinung nach, ein langanhaltendes, wärmendes Feuer ergeben sollten. Meine, von vielen tausend Feuern gemachte Erfahrung, sprach irgendwie dagegen. Sie war aber falsch. Das Feuer wurde genau so wie von Christof vorhergesagt, langanhaltend, warm und auch ein bisschen qualmig. Das gehört sich auch so bei einem Lagerfeuer, denn ansonsten macht das Zuhören der für diesen Anlass geschriebenen Geschichten ja gar keinen Sinn. Über allem beschützte uns die mit Millionen Sternen leuchtende Himmelskuppel. Zahllose Sternschnuppen stürzten sich in ihre Auflösung, und viele wandernde Satelliten hatten ihre Kameras auf uns gerichtet und sahen unserem fröhlichen Treiben neidisch zu. Das gönnte ich denen. Auch bei diesem feurigen Event schienen die fliegenden Giftspritzen einen Nichtangriffspakt beschlossen zu haben. Da auch dieses gesellige Beisammensein von Kaltgetränken begleitet wurde, ja es gab auch Bier, konnte der außergewöhnliche, harmonische Abend für alle nur in größter Zufriedenheit zu Ende gehen.
MITTWOCH, 4. SEPT. 2024, 9:56 AM • CZARNY KIERZ 40, KIWITY
15 – 29 Grad Sonne
Um sieben Uhr klingelte Annettes Wecker. Ich drehte mich im Bett noch einmal um und verließ es dann kurz nach acht. Wieder nahm ich meine bewehrte Strecke. Heute nahm ich mir etwas mehr Zeit, da ich noch Fotos machte. Ich lief bis zur Pferdewiese, um die darauf befindlichen Trakehner abzulichten. Sie grasten heute einige hundert Meter weiter. Der Weg dahin war gut, und so nahm ich ihn. Es hat sich durchaus gelohnt. Wieder zurück, saß unsere Gesellschaft immer noch am Frühstückstisch. In einer Schüssel befand sich noch gut aussehendes Rührei. Es war schon kalt, schmeckte mir aber außerordentlich. Der heutige Programmpunkt betraf die Geschichte des Hauses, in dem wir momentan logieren. Eine Besichtigung, die so gut wie nichts ausließ, war damit verbunden. Ich klinkte mich nach einiger Zeit davon aus. Mein Lauf hatte mich doch sehr angestrengt und ich brauchte erst etwas Entspannung.
Am Nachmittag war Schreibarbeit dran. Thema war das Haus oder was immer man daraus machte. Mit meinem Laptop setzte ich mich an einen Tisch und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Es sprudelte nur so, und es kam, so denke ich wenigstens, etwas Brauchbares dabei heraus. Wie es sich nach dem üppigen Abendessen herausstellte, es gab Kürbiscremesuppe und Spaghetti mit Pilz- Fleischsauce, lag ich mit meiner Einschätzung gar nicht so falsch. Elisabeth schrieb von ihrer Kindheit, hier in ihrer Heimat, wie sie damals das Haus und seine Umgebung wahrnahm. Sehr bewegend. Andrea hatte den richtigen Zugang noch nicht gefunden, Gertrud ließ ihren Empfindungen, die dieses Haus in ihr auslösten, freien Lauf. Christof klärte uns über einige Punkte unserer morgigen Fahrt zur Wolfsschanze auf. Es war wieder ein kurzweiliger Abend, heute ohne Sternegucken.
DONNERSTAG, 5. SEPT. 2024, 11:17 PM • CZARNY KIERZ 40, KIWITY
15 – 28 Grad Sonne
Um kein Gemeinschaftserlebnis zu versäumen, war es angebracht, etwas früher aufzustehen. Meine Strecke rief. Kaum hatte ich zweihundert Meter zurückgelegt, bekam ich heute wieder Begleitung. Die beiden Schäferhündinnen hatten offenbar beschlossen, mich nicht alleine laufen zu lassen. Treu, wie alte Bekannte, begleiteten sie mich auf meiner ganzen Tour. Es macht wirklich Spaß, mit ihnen durch die Felder zu laufen. Einzig auf dem einen Kilometer der Asphaltstraße habe ich immer Angst um sie. Auf dieser fahren nur wenige Autos, aber meistens sind sie mit unverhältnismäßig hoher Geschwindigkeit unterwegs. Bei Begegnungen versuche ich dann immer die Tiere von der Straße, an den sicheren Rand zu bekommen. Das klappt bis jetzt auch gut. Ob sie dabei meiner Hilfe benötigen, weiß ich nicht, aber sicherheitshalber mach ich das. So kamen wir dann auch heute wieder unbeschadet auf den Hof zurück.
Die Frühstücksgesellschaft war noch versammelt. Kurz erholte ich mich etwas und nahm dann auch noch eine Tasse Kaffee und etwas Brot zu mir. So gestärkt ging es dann heute wieder auf Ritt. Mit den Autos sollte es zum ehemaligen Führerhauptquartier Wolfsschanze gehen, in die Nähe von Rastenburg. Anfangs fuhren wir eine Strecke, die mit vielen Baustellen gespickt war. Unser Führer Christof hatte Erkundigungen eingeholt, aus denen hervorging, dass diese Bauarbeiten unseren Fahrfluss nicht stören würden, sondern sogar eine Zeitersparnis ergeben würden. Leider konnte davon keine Rede sein. Wir erlebten, wie polnische Straßenbaufirmen mit solchen, für unsere Verhältnisse, widrigen Umständen umgehen. Ungeachtet der Verkehrslage werkelten sie vor sich hin, und den Verkehrsteilnehmern wurde es selbst überlassen, wie sie mit den teilweise mehr als abenteuerlichen Straßenzuständen zurechtkamen. Uns wurde drastisch vor Augen geführt, dass auch halbfertige, oder sogar fast nicht vorhandene Strecken ihre Meister suchten und auch fanden. Es war wirklich abenteuerlich und verlangte uns Fahrern alles ab. Gottseidank ging es gut. Einige kleine Ungereimtheiten in der Streckenführung nahmen wir in Kauf und erlebten somit ein Vorwärtskommen, das bei deutschen Straßenarbeiten jenseits jeder Vorstellungskraft gewesen wäre. Es war ein richtiges Abenteuer, kostete Zeit, aber davon hatten wir ja genug. Niemals wurde die Fahrerei langweilig. Es gab so viel Wunderbares zu sehen, dass uns die Hemmnisse egal waren.
Zum Ende dieses Kampfes ums Vorwärtskommen, steuerten wir einen Wallfahrtsort an, der mit einer imposanten Basilika aufwartete. Christof war es ein Bedürfnis, hier eine Besichtigungspause einzulegen. Nun, schon einmal da, betraten wir den Sakralbau. Im Inneren durften wir einen über und über mit Kunstwerken gestalteten Kirchenraum auf uns wirken lassen. Nach unserem riskanten Anmarsch konnten wir uns bei Gott bedanken, dass wir diesen schadenfrei überstanden hatten. Es fand gerade eine Messe statt, und so konnten wir dann, mit Gottes Segen ausgestattet, unsere Fahrt fortsetzen. Ab jetzt war es vorbei mit den miesen Straßenbelägen. Zügig ging es voran. Wir erreichten unser erstes Ziel. Eines der geheimsten Projekte der Nazizeit lag vor uns. Wir entrichteten die Zugangsgebühr, parkten unsere Fahrzeuge und begaben uns in die Reste des ehemaligen Führerhauptquartiers.
Was ist nicht schon alles über diesen Standort erzählt und geschrieben worden. Jetzt waren wir selbst hier, und ich kann meine gewonnenen Eindrücke schildern. Bereits vor dem Erreichen des eigentlichen Zentrums ehemaliger nationalsozialistischer Kriegsentscheidungen, fuhren wir an einem Luftfahrtmuseum vorbei. Auf dem Gelände war fliegendes Kriegsgerät ausgestellt. Damit wollten wir uns aber heute nicht auseinandersetzen, ebenso wie wir eine Rundfahrt durch die Wolfsschanze mit einem bewaffneten, ehemaligen Wehrmachtskübelwagen als unpassend ablehnten. Die hier in großer Anzahl, zur Besichtigung freigegebenen Bunkerreste wollte ich zu Fuß und in aller Demut erkunden und auf mich wirken lassen. Dieser Ort zeigt in aller Deutlichkeit das Ergebnis diktatorischer Überheblichkeit und Großmannssucht. Wie alles, was seinerzeit im ganzen Reich gebaut wurde, musste es das Größte der Welt und natürlich das Beste werden, was jemals seine Fundamente in den Boden rammte. Was die Fundamente angeht, so wurde hier ganze Arbeit geleistet. Die Großbunker für die Entscheidungsträger der Nationalsozialisten standen immerhin noch an ihren angestammten Plätzen. Ihr Aussehen allerdings hatte sich kolossal geändert. Bevor dieses Areal von den heranstürmenden Sowjets gestürmt wurde, hatte man tonnenweise Sprengstoff an und in die Kolosse gelegt und gezündet. Die Wirkung war infernalisch. Überall in der Umgebung verstreut liegen riesige Trümmerteile, die von der Wucht der Explosionen aus der Bausubstanz der Schutzkolosse herauskatapultiert wurden. Steht man davor, kann einem der Mund schon mal trocken werden, wenn man ihn ob des Dargebotenen vergisst frühzeitig zu schließen. Die Großklötze selbst, vom Sprengstoff zerrissen, bieten einen skurrilen, bis völlig desolaten Anblick. Sinnbildlich für die ganze furchtbare, menschenverachtende Zeit zeigen sie jedem, der es erkennen kann, was von totalitären, intoleranten Systemen zu erwarten ist und was am Ende davon übrigbleibt. Davon sind die heutigen Menschenfänger natürlich weit entfernt, meinen sie, denn unter ihrer Führung wird ja alles besser, aber das wurde dem Volk nach dem Großen Krieg auch vorgegaukelt. Hier, wie auch an anderen Stellen des Großdeutschen Reiches haben sie für die Nachwelt auch etwas hinterlassen. Diese geheimen Orte sind nun Zentren horrorsuchender Touristen, denen hier, in der imaginären Nähe der ehemaligen Obernazis kalte Schauer über den Rücken laufen. Die wirklich geschichts- und gesellschaftlich interessierten Besucher dieser Stätte des menschlichen Wahnsinns sind leider eindeutig in der Minderheit. Noch traten sich hier, jedenfalls heute, die Sensationslüsternen nicht auf die Füße, jedoch gibt es Anzeichen dafür, aus dieser Erinnerungsstätte einen touristischen Hotspot entstehen zu lassen. Viel Energie und Geld wird in die Infrastruktur und die Besichtigungsbequemlichkeit investiert. Der Besucher soll mal alles, bis ins Innerste möglichst unangestrengt und weich gekocht konsumieren dürfen.
Mit zwiespältigen Gefühlen verließ ich die todbringende Denkfabrik der Weltzerstörer. Die weitere Fahrt führte über gut zu befahrende Straßen nach Giżycko (Lözen). Erst aber mussten wir dort hinkommen. Diverse Müllwagen und andere sperrige LKW hatten mutmaßlich das gleiche Ziel. Um kein privates Rennen zu inszenieren, tuckerten wir hinter ihnen her. Aber wir kamen an unser Ziel, und es blieb auch noch Zeit, sich am Seeufer des Ortes umzusehen und den Anblick der riesigen Wasserfläche zu genießen. Überall gab es Baustellen. Deutschen Autobahnen ähnlich reihte sich eine an die andere. Halbfertig, ganz fertig, aber noch nicht zugänglich oder gerade angefangen, war die ganze Palette polnischer Bautätigkeit unseren Blicken zugänglich. Diese lebenswichtigen Erkenntnisse sind essenziell, um locker durchzukommen. Hier, am Wasser, konnte man nicht nur Boote mieten und sonstige Wasserfahrzeuge, nein hier bot sich auch noch die Möglichkeit, endlich Nahrung aufzunehmen. Wir fanden ein schattiges Plätzchen nahe am Hafenkanal und machten uns daran, die Karte zu studieren. Letztendlich lief es doch auf eine Empfehlung Christofs hinaus. Urpolnisches durfte es sein und da kam hier, so Christof, nur ein Piroggengericht infrage. Die Umfrage brachte allgemeine Zustimmung und nach der Lieferung waren alle mit der Auswahl zufrieden und vorläufig gesättigt. Einen Teil des Städtchens umkurvten wir mehrfach, eine Drehbrücke war geöffnet und damit war es Nix mit der ausgesuchten Strecke. Bis wir uns dann doch auf eine neue Route festlegen konnten, brauchten wir das mehrfache umrunden. Nur für wenige zehn Kilometer bestimmte jetzt wieder ein vorausfahrender LKW unser Tempo. Das waren wir schon gewöhnt, und so fügten wir uns den Verhältnisse. Endlich, nach der Hälfte der Strecke war die Straße frei. Wir waren erleichtert, bis zum nächsten Kreisverkehr. Vor uns zog ein riesiger Laster, beladen mit großen runden Heuballen in unsere Spur. Die Gesichter wurden lang, erhellten sich aber sofort wieder, als er an unserer Abfahrtsspur vorbeizog. Dieser Vorfall war dann auch der letzte Höhepunkt in fahrerischer Hinsicht.
Glaubte ich nun, da die Straße frei und ein ungehindertes Fortkommen uns immer näher zu unserem Domizil brachte, bald dort zu sein, so wurde ich positiv enttäuscht, denn noch galt es, einen weiteren Ort zu besichtigen. Wir bogen von der guten Straße ab und landeten in einem kleinen Dorf, dem früheren Gallingen, bei dem wir unweit davon auf ein riesiges Gut stießen. Noch einmal machten wir halt. Die zahlreichen Gebäude lohnten den Besuch. Wie viele Menschen haben hier einst ihr Brot verdient? Es müssen mehr als hundert gewesen sein. Mir kam der Ausdruck vom preußischen Landjunker in den Sinn. Diese Anwesen gehörte vor längerer Zeit den Grafen von Eulenburg. Neben dem Gut befand sich auch das Herrenhaus, an dem noch fleißig gewerkelt wurde. In dem Gut selbst, es wird immer noch bewirtschaftet, befindet sich ein gutes Restaurant. Da, in den Außenanlagen nahmen wir Platz und erfrischten uns mit Getränken und einer urpolnischen Suppe namens Żurek. Mit dieser war das Kraftpolster für die letzten Kilometer aufgefüllt. In dunkler Nacht legten wir die letzte Strecke zurück. Irgendwann erkannte ich meine morgendliche Laufstrecke wieder und wusste, es war geschafft.
FREITAG, 6. SEPT. 2024, 10:31 AM • CZARNY KIERZ 40, KIWITY
14 – 28 Grad Sonne
Am heutigen Tag stand keine besondere Exkursion an. Der Focus sollte wieder auf die Schreiberei gerichtet werden. Zuerst absolvierte ich aber mein Sportprogramm. In Begleitung des bewehrten Hundeteams ging es wieder durch die Felder. In diesen Tagen hier ist es müßig über das Wetter zu reden. Schöner und besser kann es in Italien oder im sonstigen sonnigen Süden auch nicht sein. Einige Besonderheiten bot der heutige Tag aber doch. Im Laufe des Vormittags meldete sich Maggy Cordes bei uns. Sie ist mit ihren Hunden in ihrem Wohnmobil hier in Ostpreußen unterwegs und wir hatten mit ihr, schon in Lingen, darüber gesprochen, dass sie uns besuchen könne. Nun war sie in Lidzbark angekommen und wartete darauf, von uns abgeholt und zum Hof gelotst zu werden. Ich fuhr mit Annette und Christof als Ortskundigen dorthin.
Wieder zurück musste sich erstmal die Hundewelt akklimatisieren. Maggy hatte ja ihre beiden Hundemädchen mit, und diese kamen nun in Berührung mit den Hofhunden. Nach einigem Beschnuppern und einigen Miniaturmachtkämpfen beruhigte sich die Szene und die Hundewelt war wieder in Ordnung. Ich konnte mich wieder ans Schreiben machen, denn ich war unterbrochen worden. Einiges bekam ich noch aufs Display visualisiert, aber der Schreibfluss war ins Stocken geraten. Das Wesentliche war aber nach der gemeinsamen Kaffeetafel geschrieben worden.
Eine weitere Ankunft gab es am frühen Abend. Den ganzen Tag lief schon die Funkverbindung zwischen Andrea und ihrem Mann Rüdiger heiß. Nun konnte sich wenigstens die Technik abkühlen. Der Mann war da, und das Leben im Haus war um zwei Personen reicher. Die Integration fiel nicht schwer, und wir konnten erleben, dass in dieser Umgebung die Menschen das finden können, was in ihrem normalen Umfeld, ob beruflich oder privat, kein Selbstläufer ist: Ruhe und Zufriedenheit. Nach den wenigen Tagen hier stelle ich mir schon die Frage: Wie geht Ärger eigentlich? Das gemeinsame Abendessen, heute mit gebratenem Fisch und leckeren Zutaten, wie Salaten und Kartoffelbrei, der nicht aus der Tüte kam, war wieder der kulinarische Höhepunkt des Tages. Inspiriert von dieser Magenfreundlichkeit, setzten wir den Abend einfach auf der Terrasse fort. Die umgebende Natur gab immer wieder Anlass, die Gesprächsthemen auch auf sie zu lenken. Sei es der außergewöhnliche Sternenhimmel oder die Tierwelt, die permanent mit einigen Exemplaren auf sich aufmerksam machte. Alles gab genügend Anlass, um sich darüber auszutauschen. Zahllose Sternschnuppen stürzten sich in die Atmosphäre und verglühten. Sollte es stimmen, dass, wenn man bei ihrem Anblick schnell auf seinen Geldbeutel klopft, es zukünftig keine Geldsorgen mehr gäbe, so böte sich hier ein aussichtsreiches Einkommensfeld an. Satelliten verfolgten wir, bis sie am weiten Himmelsrund verschwanden. Das ging solange, bis die Zeit auch reif für die Nachtruhe war. Schon wieder war ein Tag wie im Schweinsgalopp vergangen.
SAMSTAG, 7. SEPT. 2024, 10:25 AM • CZARNY KIERZ 40, KIWITY
16 – 28 Grad SONNE
Es möchte einem das Wasser ins Gesicht treiben, wenn man sieht, welche herrliche Landschaft, vor allem bei diesen beispiellosen Temperaturen, wir morgen verlassen müssen. Ich verlängerte meine Laufstrecke heute nochmal um einige hundert Meter. Das erstaunlichste an dieser hügeligen, anstrengenden Strecke ist für mich immer wieder, dass sie mir überhaupt nicht schwerfällt. Besonders beim anschließenden Treppensteigen im Haus merke ich kaum, dass ich nach oben steige. Könnte es doch auch fürderhin so bleiben, dann wäre meine gesundheitliche Welt absolut in Ordnung. Das Frühstück gab es heute im großen Kreis. Die Besucher integrierten sich schnell. In diesem Haus wäre alles andere auch verwunderlich. Noch einmal widmeten sich die Schreibenden ihren Themen.
Mit Annette fuhr ich noch einmal nach Lidzbark. Inzwischen habe ich den Weg dorthin soweit inhaliert, dass ich ihn selbstständig finde. Einige Kleinigkeiten fanden den Weg in unsere Einkaufstasche, und an einer Tankstelle wurde der Tank unseres Autos gefüllt, damit die morgige Rückfahrt nicht am Spritmangel scheitert.
Am Abend zeigte uns die Küche nochmal, was sie zu bieten hat. Wir wurden mit Leckerbissen nur so verwöhnt. Zwangsläufig dauerte das Mal etwas länger. Was da auf den Tisch kam, kann man nicht so einfach herunterschlingen. Langsam kamen schon Abschiedsgedanken auf. Noch aber durften wir ein kleiner Teil dieses Paradieses sein. Den Abend verbrachten wir wieder am Lagerfeuer. Sogar einen Ghettobluster stellte uns die Küche zur Verfügung, aber angesichts des baldigen Aufbruchs brauchten wir ihn nicht. Ganz ohne Musik ging es aber nicht ab. Teresa, Elisabeth und Christof sangen uns einige fröhliche Weisen auf Polnisch. Wir verstanden zwar nichts, aber die Fröhlichkeit der Lieder färbte auch auf uns ab. Nicht allzu spät ging es dann zu Bett.
SONNTAG, 8. SEPT. 2024 • CZARNY KIERZ 40, KIWITY
14 – 32 Grad SONNE
Der Morgen war geprägt vom allgemeinen Aufbruch. Noch einmal versammelte sich die kleine Gesellschaft der letzten Tage zum gemeinsamen Frühstück. Noch einmal wurde es ruhig. Geprägt wurde der morgendliche Imbiss von den Erlebnissen, die wir hier erleben durften. Nicht nur für mich werden die Eindrücke, die uns Land und Leute hinterlassen haben, mehr als nur Seelennahrung sein. Wäre die Entfernung nicht so groß, würden zukünftige Besuche dieser Oase der Ruhe häufiger sein.
Mit glücklich-traurigen Gefühlen verabschiedeten wir uns von Teresa, unserer Gastgeberin, die uns ungeahnte Möglichkeiten der Selbstfindung vermittelte und den Aufenthalt mit ihrer Freundschaft veredelte. Maggy machte sich auch wieder, mit ihren Hündchen, auf den Weg, um noch weitere zwei Wochen Ostpreußen zu erkunden. Elisabeth und Christof fuhren auf ihren eigenen Wegen zurück. Wir werden sie in Lingen wiedersehen. Noch einmal gesellten sich die Schäferhündinnen zu mir. Besonders Wega, die mich fast immer auf meinen wunderschönen Laufstrecken begleitete, schien mich nur ungern fahren zu lassen.
Irgendwann mussten wir uns dann losreißen. Gertrud fuhr mit uns. Die erste Strecke bis nahe Danzig befuhren wir auf den Landstraßen und Alleen. Dann setzten wir die Fahrt auf Schnellstraßen und Autobahnen fort. Ein Stau hinter Danzig war alles, was unsere Fahrt etwas verlangsamte. Der Verkehr hielt sich ansonsten in Grenzen. und wir rauschten wie auf Schwingen durch Polen. Das Land zeigte sich zum Abschied noch einmal von seiner Schokoladenseite. Der weite Blick in immer noch sommerliche Landschaft war einfach nur schön. Das Land zeigte sich wie aufgefegt und abgewaschen.
In einer sehr guten Zeit, knapp über fünf Stunden, erreichten wir Frankfurt ( Oder). Auf der polnischen Seite tankte ich nochmal voll. Wieder logierten wir im City Parkhotel. Am Oderufer fanden wir ein Lokal. Etwas zu essen und zu trinken hatten wir uns redlich verdient. Die Temperaturen waren bis tief in die Nacht jenseits der dreißig Grad Marke.