Zu Beginn ein Zitat aus dem Buch.
„Alles, was ich hier sage, jeder Satz ist wahr. Jede Geschichte, die ich hier erzähle, ist wahr. Alle diese Bilder der Vergangenheit kommen aus meiner Erinnerung.“
Grundsätzlich ist das Buch von Rao Pingru ein Roman aus dem Genre Autofiktion, zu dessen bekanntesten Vertreter*innen Annie Ernaux und Tove Ditlevsen gehören. Und dann ist es noch so viel mehr, da sich der Autor nicht nur auf Text beschränkt, sondern er seine Erinnerungen auch in Tuschezeichnungen darstellt. Sie sind Illustration der Lebensbeschreibung und schaffen einen noch verstärkten emotionalen Zugang für den Lesenden. Wir finden persönliche Fotos und Briefe aus einem beinahe hundert Jahre altem Leben. Es ist die Geschichte einer Jahrzehnte währenden Liebe, in der wir geradewegs erfahren, wie sich historische Konflikte sich auf die Menschen auswirken und wie sie damit leben müssen.
In dem vorliegenden Buch erhält man einen Eindruck der chinesischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, das u.a. für die Chinesen geprägt ist vom Bürgerkrieg, dem zweiten Weltkrieg, Umerziehungslagern, die es noch bis heute gibt, u.v.m.
Eine weitere Textstelle sei noch zum Schluss zitiert:
„Später erst ist uns all dies
zur kostbaren Erinnerung geworden
doch damals, naiv wie wir waren,
traumtrunken, ahnten wir nicht,
was diese Begegnungen
einmal bedeuten sollten.“
Dieses wundervolle bibliophile Buch war eigentlich das persönliche Projekt des damals 86 Jahre alten Witwers, aber dann entdeckten seine Enkeltöchter, was Rao Pingru verfasste und schlugen vor, seine Memoiren zu veröffentlichen. Welch ein Glück für uns!
Unsere Geschichte. Eine Liebe im China des 20. Jahrhunderts von Rao Pingru
Matthes & Seitz Berlin, ISBN 978-3-7518-0947-4, 442 Seiten