Ein großer amerikanischer Unterhaltungsroman, fast schon eine Satire! Bis zur letzten Seite verblüfft Nathan Hill mich immer wieder: wie verändern sich vermeintliche Wahrheiten, sobald eine neue Information dazu kommt. Und schließlich eskaliert die gesamte Situation.
Jack und Elizabeth verlieben sich im Chicago der Neunzigerjahre ineinander. Sie wohnen in einem schäbigen Viertel der Stadt und können sich über eine schmale Gasse hinweg in ihren jeweiligen Wohnungen beobachten. Allerdings wissen sie voneinander nicht, dass sie es tun. Eines Abends treffen sie sich zufällige in einer Bar, reden die ganze Nacht und sind fortan unzertrennlich. Einen verträumteren Gründungsmythos gibt es wohl kaum, doch zwanzig Jahre später stehen die beiden vor ihrer Trennung.
Das klingt nicht besonders innovativ, aber seien Sie sich gewiss, dieser Roman ist besonders und bietet deutlich mehr als es eine Liebes- oder Beziehungsgeschichte es kann.
In Zeitsprüngen erzählt Hill nicht nur die Chronik des Paares, ihres Aufwachsens, ihrer Lügen und ihrer Versuche, die Ehe zu retten. Er erfasst zudem den Geist der Zeit vor und nachdem es das Internet gibt. Es entsteht beinahe eine Satire, in der der Autor trotzdem seinen sensiblen Blick auf die Figuren und ihre Nöte behält. Er beobachtet genau, wie die Gesellschaft sich entwickelt, während er den Lesenden durch Land und Generationen führt. Und dabei verliert man sich niemals in seinen Ausführungen und langweilt sich auf keiner der 736 Seiten.
„Wellness“ von Nathan Hill
Piper Verlag, EAN 978-3-492-07214-4, 736 Seiten