Hier finden Sie meine persönliche Buchauswahl zur Veranstaltung „Beeindruckende Frauen“:
- „Das Mädchen mit wenig PS“ von Ruth Landshoff-Yorck
Ein kleiner Geheim-Tipp ist das Buch „Das Mädchen mit wenig PS“ von Ruth Landshoff-Yorck.Die Autorin gehört zu den schreibenden Frauen der Weimarer Republik und in der heutigen Zeit würde man sie wohl als It-Girl bezeichnen.
Im vorliegenden Buch sind 50 Feuilletons versammelt, die von modernen Mädchen dieser Zeit berichten. Der Ton ist mal vergnüglich, mal bestimmt, mal ironisch, mal bezaubernd und in allen Fällen unterhaltsam. Die Texte stecken voller Überraschungen, sind pointiert und (immer noch) sehr zeitgemäß.
Ein Lese-Tipp für die Fans der glamourösen zwanziger Jahre und für diejenigen, die es kurz und bissig mögen.
Außerdem möchte ich explizit auf den Verlag aufmerksam machen! Im Programm des Aviva Verlags finden Sie nur weibliche Stimmen und der Schwerpunkt wird auf vergessene Autorinnen, Literatinnen und außergewöhnliche Frauen gelegt.
„Das Mädchen mit wenig PS“ von Ruth Landshoff-Yorck
Aviva Verlag, ISBN: 978-3-932338-81-6, 224 Seiten - „Kummer aller Art“ von Mariana Leky
Eine literarische Pralinenschachtel!In dem Buch „Kummer aller Art“ hat Mariana Leky, die Autorin des wunderbaren Romans „Was man von hier aus sehen kann“, alle Kolumnen versammelt, die bereits in der Zeitschrift „Psychologie heute“ erschienen sind.
Sie betrachtet in ihren Texten ganz gewöhnliche, alltägliche Situationen mit dem ihr eigenen besonderen Blick und erzählt davon in einer warmen und poetischen Sprache. Als Leser*in muss man lächeln und schmunzeln und will die Geschichten selbst weiterspinnen.
Jede Geschichte hinterlässt ein wohliges Gefühl im Brustbereich und genau deshalb sollte man sehr sparsam mit diesem Buch umgehen und nicht mehr als eine Geschichte pro Tag lesen.
Kummer aller Art von Mariana Leky,
Dumont Verlag, ISBN 978-3-8321-8216-8, 176 Seiten - Mein drittes Leben von Daniela Krien
Im neuen Roman von Daniela Krien geht es darum, was ein Mensch alles ertragen kann.Als Lindas Tochter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, entgleitet ihr das Leben, und sie weiß nicht, wie es weitergehen soll.
In ihrer Heimatstadt erinnert sie alles an ihr Kind und sie quält sich mit Selbstvorwürfen. Sie wendet sich von ihrem Mann Richard ab und zieht auf einen heruntergewirtschafteten Hof in die Einöde. Linda sehnt sich mehr nach dem Tod als nach dem Leben, aber es gibt immer wieder kleine Anker, die sie ganz langsam wieder Fuß fassen lassen.
Mit der uns von Daniela Krien bekannten Sensibilität und ihrer schönen und klaren Sprache, erzählt die Autorin von einem unerträglichen Verlust. Sie erzählt aber auch von einer großen Liebe und greift damit ein Zitat aus einem früheren Roman auf: „Liebe ist keine Romantik. Liebe ist eine Tat. Man muss die Liebe vom Ernstfall aus betrachten.“
Eine psychologische Geschichte über die Vergänglichkeit des Menschen und die Suche nach Glück, die düster beginnt und versöhnlich endet.
Mein drittes Leben von Daniela Krien
Diogenes Verlag, ISBN 978-3-257-07305-8, 304 Seiten - „Der betrunkene Berg“ von Heinrich Steinfest
Die 43jährige Katharina Kirchner hat in 1700 m Höhe eine Buchhandlung errichtet, in der sie nur Literatur mit alpinen Themen vorrätig hat.
Während eines Spaziergangs im Schnee, rettet sie einen lebensmüden Mann aus dem Eis und bringt ihn in ihre Hütte. Der Mann kann sich weder an seinen Namen noch an seine Vergangenheit erinnern, aber er kann fantastisch kochen, beeindruckende Schneeskulpturen herstellen und gut zuhören.
Katharina und der Fremde lesen an den Abenden gemeinsam ein Buch und kommen dabei ihrer jeweiligen Vergangenheit nahe, die keiner von ihnen bis dato bewältigt hat.
Kunstvoll geschrieben, berauschend fabuliert und surreal anmutend. Die Romane von Heinrich Steinfest sind sehr besonders und absolut empfehlenswert.
„Der betrunkene Berg“ von Heinrich Steinfest
Piper Verlag, ISBN 978-3-492-31984-3, 224 Seiten - Zwei Leben von Ewald Arenz
Ich bin so froh, Ewald Arenz für mich entdeckt zu haben! Jedes seiner Bücher ist ein Volltreffer!Jetzt hat er einen Dorfroman geschrieben, der im Jahr 1971 spielt. Zwei Frauen und eben ihre zwei Leben stehen im Mittelpunkt der Geschichte.
Die zwanzigjährige Roberta kehrt, nach dem sie eine Ausbildung in einer Textilfabrik gemacht hat, auf den elterlichen Hof zurück. Sie ist das einzige Kind und wird eines Tages den Hof übernehmen. Sie ist im Zwiespalt: Einerseits träumt sie davon, in die Welt hinauszugehen und Kleider zu entwerfen, andererseits liebt sie den elterlichen Hof und die körperliche Arbeit in der Natur. Und sie liebt Wilhelm, den Pfarrerssohn, mit dem sie das hier und jetzt genießen kann.
Wilhelms Mutter Gertrud hasst das Landleben. Sie kam damals aus Hamburg mit ihrem Mann in das Dorf, in dem Glauben, es sei nur ein Zwischenstopp. Seitdem sind 20 Jahre vergangen und ihr Drang wächst, die Welt und ihre Metropolen zu sehen.
Beide Frauen werden schwanger und sind gezwungen, eine Entscheidung zu treffen.
Arenz erzählt vom Leben im Dorf zu einer Zeit in der Vergangenheitsbewältigung, Kriegsdienstverweigerung, Feminismus, Popkultur und Miniröcke in der Stadt schon eine Rolle spielen, aber das Leben auf dem Land geprägt ist von Arbeit, Gehorsam und Moral. Es ist eine Zeit des Umbruchs.
Voller Atmosphäre und Sensibilität erzählt der Autor von Menschen, ihrem Umfeld und den zwischenmenschlichen Dramen. Man will nicht, dass das Buch zu Ende geht und möchte die Frauen weiter begleiten und sie in ihren Entscheidungen bestärken.
Zu Tränen gerührt, aber auch sehr versöhnt, habe ich den Roman abgeschlossen und freue mich schon jetzt auf das nächste Buch von Ewald Arenz!
„Zwei Leben“ von Ewald Arenz
Dumont, ISBN: 978-3-8321-8205-2, 300 Seiten - Am Himmel die Flüsse von Elif Shafak
Für mich hat der neue Roman von Elif Shafak das Potenzial ein Lieblingsbuch für alle Zeiten zu sein!Sie erzählt in „Am Himmel die Flüsse“ drei Lebensgeschichten und schlägt dabei eine Brücke zwischen Ost und West und verschiedenen Zeiten.
Alles beginnt mit einem Wassertropfen im siebten Jahrhundert vor Christus. Er fällt dem Herrscher Mesopotamiens als Regentropfen auf den Kopf und wird Zeuge, wie der assyrische König Assurbanipal seinen Lehrer und Vertrauten als Verräter verbrennen lässt.
Dem Wasser ist zu eigen, dass es verdunstet, in den Himmel aufsteigt und wieder herniederfällt.
Derselbe Tropfen landet also Jahrhunderte später als Schneeflocke im Mund eines Neugeborenen im viktorianischen England, benetzt wiederum lange Zeit später die Lippen einer jungen Jesidin im Irak und fließt, nachdem einige Jahre vergangen sind, als Träne aus dem Auge einer Hydrologin.
Es ist die Geschichte von Arthur, der 1840 in einem Elendsviertel in England geboren wird. Er bringt sich selbst das Lesen der Keilschrift bei und es gelingt ihm, Teile des Gilgamesch-Epos zu entschlüsseln.
Im Wechsel springt der Roman dann in das Jahr 2014 zu dem jesidischen Mädchen Narin, das bei seiner Großmutter aufwächst. In der muslimischen Welt gelten die Jesiden als Teufelsanbeter. Ihnen wird immer nur mit Hass begegnet, der zu dem Genozid des Islamischen Staats an tausenden jesidischen Frauen und Kindern führt und dessen Zeugin auch Narin wird.
Die dritte Lebensgeschichte erzählt von Zaleekhah. Die Wasserwissenschaftlerin lebt im Jahr 2018 in London. Die Frau mit irakischen Wurzeln hat als junges Kind ihre Eltern verloren und es bis heute nicht geschafft, ihr Trauer zu verarbeiten.
Mit großer Detailliebe und wunderbarer Fabulierkunst werden wir gleichermaßen ins viktorianische England wie auch zu den Jesiden und ihrer oft unbekannten und verkannten Kultur entführt. Es ist ein gut recherchiertes Buch über Mesopotamien und seine assyrischen Könige, die Urgöttinnen durch männliche Götter ersetzten.
Elif Shafak erzählt märchenhaft und berührend. Ein Roman, der eine süße Traurigkeit bei der Leserschaft hinterlässt.
Dieser Titel wird ein All-Time-Favorite für mich werden!
Am Himmel die Flüsse von Elif Shafak
Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-28008-3, 592 Seiten