Am Himmel die Flüsse von Elif Shafak

Für mich hat der neue Roman von Elif Shafak das Potenzial ein Lieblingsbuch für alle Zeiten zu sein!

 Sie erzählt in „Am Himmel die Flüsse“ drei Lebensgeschichten und schlägt dabei eine Brücke zwischen Ost und West und verschiedenen Zeiten.

Alles beginnt mit einem Wassertropfen im siebten Jahrhundert vor Christus. Er fällt dem Herrscher Mesopotamiens als Regentropfen auf den Kopf und wird Zeuge, wie der assyrische König Assurbanipal seinen Lehrer und Vertrauten als Verräter verbrennen lässt.

Dem Wasser ist zu eigen, dass es verdunstet, in den Himmel aufsteigt und wieder herniederfällt.

Derselbe Tropfen landet also Jahrhunderte später als Schneeflocke im Mund eines Neugeborenen im viktorianischen England, benetzt wiederum lange Zeit später die Lippen einer jungen Jesidin im Irak und fließt, nachdem einige Jahre vergangen sind, als Träne aus dem Auge einer Hydrologin.

Es ist die Geschichte von Arthur, der 1840 in einem Elendsviertel in England geboren wird. Er bringt sich selbst das Lesen der Keilschrift bei und es gelingt ihm, Teile des Gilgamesch-Epos zu entschlüsseln.

Im Wechsel springt der Roman dann in das Jahr 2014 zu dem jesidischen Mädchen Narin, das bei seiner Großmutter aufwächst. In der muslimischen Welt gelten die Jesiden als Teufelsanbeter. Ihnen wird immer nur mit Hass begegnet, der zu dem Genozid des Islamischen Staats an tausenden jesidischen Frauen und Kindern führt und dessen Zeugin auch Narin wird.

Die dritte Lebensgeschichte erzählt von Zaleekhah. Die Wasserwissenschaftlerin lebt im Jahr 2018 in London. Die Frau mit irakischen Wurzeln hat als junges Kind ihre Eltern verloren und es bis heute nicht geschafft, ihr Trauer zu verarbeiten. 

Mit großer Detailliebe und wunderbarer Fabulierkunst werden wir gleichermaßen ins viktorianische England wie auch zu den Jesiden und ihrer oft unbekannten und verkannten Kultur entführt. Es ist ein gut recherchiertes Buch über Mesopotamien und seine assyrischen Könige, die Urgöttinnen durch männliche Götter ersetzten.

Elif Shafak erzählt märchenhaft und berührend. Ein Roman, der eine süße Traurigkeit bei der Leserschaft hinterlässt.

Dieser Titel wird ein All-Time-Favorite für mich werden!

Am Himmel die Flüsse von Elif Shafak
Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-28008-3, 592 Seiten