Als Großmutter im Regen tanzte


Die 63jährige Trude Teige ist eine der bekanntesten norwegischen Autorinnen. Ins Deutsche sind schon einige Krimis rund um die Journalistin Kajsa Coren übersetzt worden und haben bereits eine ansehnliche Fangemeinde. Ihre Karriere als Schriftstellerin startete sie allerdings mit einem historischen Roman, der bis jetzt noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Viele Jahre später nahm sie sich dann wieder einem geschichtlichen Thema an und schrieb 2015 „Mormor danset i regnet“, der mit dem Titel „Als Großmutter im Regen tanzte“ in diesem Jahr in Deutschland erschienen ist.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: In der Gegenwart und nach dem zweiten Weltkrieg.

Als Junis Großmutter Tekla verstirbt, kehrt sie in deren Haus auf einer kleinen norwegischen Insel zurück. Dort entdeckt sie ein Foto, auf dem ihre Großmutter als junge Frau mit einem deutschen Soldaten zu sehen ist. Die Enkeltochter kennt diesen Mann nicht und beschließt, sich auf Spurensuche zu begeben. Sie erfährt die Leidensgeschichte der Großmutter. Jener Frau, von der sie weiß, dass sie den Regen für den Applaus des Lebens hielt und in ihm tanzte.

Tekla hatte sich während des zweiten Weltkriegs, in der Zeit der Besatzung Norwegens, in den deutschen Soldaten Otto verliebt. Dafür wurde sie von ihrer Familie verstoßen und reiste mit Otto nach Deutschland in die mecklenburgische Stadt Demmin zum Hof seiner Eltern. Als sie dort ankommen, müssen sie feststellen, mit welchem Grauen der Krieg auch hier zugeschlagen hat.

In der Zeit der Besatzung Norwegens durch deutsches Militär im Zweiten Weltkrieg hatten zehntausende von Frauen eine Liebesbeziehung zu deutschen Soldaten. Nach dem Krieg waren sie als „Tyskerjentene“, als „deutsche Mädchen“ entehrt. Heirateten sie einen Deutschen wurde ihnen die norwegische Staatsbürgerschaft aberkannt. Sie verloren ihre Arbeit und wurden willkürlich verhaftet. Der norwegische Staat hat sich erst vor wenigen Jahren dafür bei den betroffenen entschuldigt. Diesen Teil der Geschichte verknüpft die Autorin mit dem Massenselbstmord in Demmin: Hier nahmen sich 1000 Menschen das Leben aus Angst vor den Russen.

Durch die Recherchen kann Juni den Leidensweg der Großmutter Tekla erfahren und erkennt, warum das Verhältnis zur eigenen Tochter Lilla, also Junis Mutter, ein solch belastetes war.

Sehr emotional zeigt die Autorin, welche Auswirkungen Kriegserfahrungen, besser gesagt Kriegstraumata auf die nachfolgenden Generationen haben können.

Ein eindrucksvoller, feinfühliger und bewegender Roman, der mit einer klaren, schnörkellosen Sprache besticht. Nur ein kleines „Aber“: Die Liebesgeschichte um die Enkeltochter Juni ist vielleicht etwas klischeehaft. Aber da sie nur am Rande geschieht, nimmt sie der beträchtlichen Geschichte keineswegs die Kraft!

Als Großmutter im Regen tanzte von Trude Teige
Fischer Verlag, ISBN 978-3-949465-12-3, 384 Seiten