Das Summen unter der Haut


Stephan Lohse studierte Schauspiel in Wien und war auf vielen großen Bühnen Deutschlands zu sehen. Als ich 2017 sein Debüt „Ein fauler Gott“ las, hat es mich sofort hingerissen, im wahrsten Sinne … davon zu lesen, wie ein elfjähriger Junge den Tod seines jüngeren Bruders und die nicht stattfindende Trauerbewältigung seiner Mutter erlebt, hat mich sehr ergriffen. Auch in seinem zweiten Roman geht es um zwei Brüder: „Johanns Bruder“ ist eine Familiengeschichte voller Gewalt.

Sie sehen, thematisch sind die Bücher von Lohse nicht so leicht wegzustecken, dennoch schafft er es immer wieder, den Leser zum Schmunzeln zu bringen.

Sein neuer Roman „Das Summen unter der Haut“ spielt 1977 in Hamburg und erzählt von 31 Tagen im Leben eines Teenagers, genauer gesagt geht es um den 14jährigen Julle, der sich in seinen neuen Mitschüler Axel verliebt. Die beiden freunden sich miteinander an und erleben einen gemeinsamen Sommer. Sie gehen ins Freibad, füttern Axels Kaninchen und entdecken eine abgebrannte Hütte im Wald, deren Geheimnis sie auf die Spur kommen möchten.

Es ist ein Roman über die erste Liebe. Die politischen Geschehnisse der Siebziger, als Stichworte seien RAF und die ungewisse wirtschaftliche Situation genannt, spielen nur sehr am Rande mit ein. Stattdessen stehen die extremen Gefühle des Adoleszenten im Mittelpunkt: die Erregung und die Zuneigung und natürlich die Scham und die Verdrängung.

Der Roman hat mich direkt in die Siebziger katapultiert, ohne sie genau zu kennen, denn ich bin erst in dem Jahr, in dem die Geschichte spielt, geboren. Und ich wurde in die Zeit zurückversetzt, in der ich selbst das erste Mal so richtig verliebt war. Ein Zitat:  „Von den achtzig Stunden (vor 80 Stunden ist Axel in Julles Leben getreten) waren zweiundzwanzig Stunden Unterricht. In diesen zweiundzwanzig Stunden habe ich, weil ich mich ja schlecht umdrehen konnte, versucht, Axel mit dem Rücken wahrzunehmen. Meine rechte, ihm zugewandte Seite wurde zu einer Art Antenne….eine empfindliche Fläche, die summend warm wurde. Als würde sich mein Gehirn in dieser Fläche befinden und sie aufheizen.“

Stephan Lohse beweist auch in diesem Roman sehr viel Sensibilität und geht respektvoll mit seinen Figuren um. Er erzählt einfühlsam und durchaus mit leisem Witz. Ich finde, sein bis jetzt bester Roman und bin sehr gespannt, was da noch folgen wird!

Das Summen unter der Haut von Stephan Lohse
Insel Verlag, ISBN 978-3-458-64389-0, 176 Seiten