„Der Verschwundene“ ist der zweite Roman der Niederländerin Lot Vekemans.
Simon ist vor vielen Jahren aus den Niederlanden nach Kanada ausgewandert. Er hat zu seiner Geburtsfamilie kaum Kontakt und sucht diesen auch nicht. In der Vergangenheit liegt ein Konflikt mit seinem Bruder, der nie ausgesprochen wurde.
Eines Tages meldet sich seine Schwester Hanne bei ihm, die zwar auch mit ihm fremdelt, aber dennoch zwischen den beiden Brüdern zu stehen scheint. Sie bittet ihn, dass ihr Sohn Daan zu ihm kommen darf, da sie Probleme mit ihm hat. Er willigt widerstrebend ein. Zu Beginn ist er überrascht, wie gut sich das Zusammenleben mit dem pubertierenden Neffen gestaltet, doch schnell ist die anfängliche Motivation beider Seiten vorbei und Simon ist von seinem Neffen genervt, weil dieser immer nur faul herumlungert. Als Daan den einen Wunsch äußert, einmal die Rocky Mountains sehen zu wollen, willigt der Onkel, trotz all seiner körperlichen Gebrechen ein.
Eigentlich war lediglich ein Tagesausflug geplant, doch bei diesem Plan bleibt es nicht. Die beiden lernen einen Vater mit seinem Sohn kennen, die Daan mit in die Berge nehmen. Simon bleibt zurück und wartet. Als das Trio am Abend zurückkehrt, sind sie völlig begeistert und haben für den nächsten Tag wieder einen Ausflug geplant. Simon erfährt jedoch, dass sein Neffe viel Privates über seinen Onkel (über die abgebrochene Beziehung zu seiner Geburtsfamilie) preisgegeben hat und Simon fühlt sich deshalb verraten. Es kommt zum Streit zwischen den beiden Männern und Daan ist am nächsten Tag verschwunden.
Simon muss die Polizei informieren, und vor allem auch Daans Familie. Und so wird die Suche nach dem Jungen zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte und dem Ungesagten der Vergangenheit.
Und dann stellt sich auch noch die Frage nach dem Vater und dem Sohn, die Daan auf den Ausflug mitgenommen haben. Wer waren sie wirklich? Es kommt der Verdacht auf, dass sie etwas im Schilde führten. Und damit nicht genug hat man beim Lesen immer wieder das Gefühl, vom Protagonisten belogen zu werden…
Vekemans Roman über menschliche Abgründe und Beweggründe menschlichen Handelns ist von knappen und scharfen Wortwechseln geprägt. Sie hat eine Mischung aus Familiendrama und Thriller geschrieben und der Verlauf ist an keiner Stelle vorhersehbar. Als Leser*in muss man es aushalten können erst am Ende Gewissheit zu haben.
„Der Verschwundene“ von Lot Vekemans
Wallstein Verlag, ISBN 978-3-8353-5534-7, 266 Seiten